Auf den Straßen gehn die Lichter an
die Ecken sehen dreckiger aus
verfluchter und verkommener.
Schlagzeilen liegen herum, Schläger mit dem
Abzeichen einer demokratischen Partei stehen rum
Polizeihunde, schlecht verkleidete Zivile.
Ich trinke ein Bier
auf einmal passiert die Tagesschau, die
hygienische Trennung von Wohnort und
Ort des Geschehens.
Der Wirt legt die Musik der Siebziger Jahre auf
verglitterte und auf den Hund gerockte Tröstereien.
Die Baumschlepper vom Mississippi fassen sich an den Kopf
und können einen Blues drauf singen
(auf Europa-Tournee).
Bin ich harmlos und gefährlich genug
um draufzugehen, bei einer "Aktion Feuerball"?
Oder gebe ich der Polizei einen gezielten Hinweis
denn seit heute weiß ich, wie die Gesuchte die
Zigarette ansteckt, und seit heute weiß ich
wie ich die Zigarette anstecke.
Jetzt im Fernsehen eine Talk-Show, an der Ecke
eine Schlägerei, die in der Nebenstraße weitergeht.
Auf dem Fernsehbild ist Wahlkampf
eine rhetorische Erscheinung. Immer noch kommen sie
mit ihrer lächerlichen Alternative
und immer noch wird ihnen geglaubt
obwohl sie längst nicht mehr unter uns sind
von gepanzerten Autos in abgeriegelte Ämter flüchten.
Noch immer sind die Kameras auf sie gerichtet
empfangen wir ihre Programme
weil wir belogen werden wollen
lückenlos und ohne
Brüche
Skandale oder Unruhen.
Da kannst du nur
schreien
wie die Frau auf dem U-Bahnhof, die auf eine Bank
gestreckt wird, bevor Privatpolizisten
aus dem einfahrenden Zug stürzen
(Haben Sie auch das Gefühl
nicht darüber reden zu wollen?
Ist es nicht fantastisch um die Ecke zu gehen
und nichts mehr zu sagen
nur die Hand bleibt auf der Hose?)
Hier ist Wahlkampf, dich zu entscheiden, bedingungslos
und persönlich, wie es nicht weitergehen darf.
Im Fernsehen lügen die Redner in konkreten Zahlen
die Wahlbeteiligung steigt.
Vor der "Barobar" hängen ein paar Fixer rum
vergessene Bekannte
die weitergemacht haben, trotz der wöchentlichen Razzien
und Polizeieskorten vor den Hallen
in denen Musikreisen verkauft werden.
Hier liegt meine Geschichte rum, konserviert, verstehste?
Und ich sehe meine Generation verschwinden.
Die Besten sind zwar unter uns
aber die Besseren sind gestorben, oder
abgezogen
in den "Untergrund von mir zu dir"
oder sie schließen eine gepanzerte Bürotür hinter sich.
Ich sehe die Propheten der Ausgewogenheit
ein Lied darauf singen.
Ich sehe Polizeipräsidenten einen Rauschgiftring
gründen, damit aus Demonstrationen und Streiks
künstliche Paradiese werden.
Ich sehe knappe Diskothekenaugen.
Dieses Gedicht kann nicht mehr zurück in den Gedichtraum.
Die Nachrichten können nicht mehr
in den Nachrichtensendungen versteckt werden.
Dieses Gedicht ist keine Vorstellung
und hat keinen Vorhang.
Es wäre, für einen Anfang, gern am Ende.
(c) Bodo Morshäuser
zuerst veröffentlicht in Alle Tage, 1979